Hiroshima und Nagasaki Gedenkstunde am 9. August 2025 in Trossingen

Gedenkstunde Hiroshima und Nagasaki in Trossingen

Das Schreckliche und das Schöne zu verbinden - das wurde möglich bei der Gedenkstunde für Hiroshima und Nagasaki am 9. August. Die zwei Städte stehen seit 80 Jahren wie keine anderen für den Horror der Atombombe, das Schöne waren die bewegenden japanischen Lieder gespielt von zwei Trossingen Musikerinnen, Yuko und Aya Koyama, aus Japan.

Bei dieser Veranstaltung des Trossinger Forums Demokratie und Grundrechte hielt der Villinger Allgemeinmediziner Dr. Helmut Lohrer einen Vortrag über „Die Mühe aus der Geschichte zu lernen - 80 Jahre Hiroshima und Nagasaki“.

Wie der Titel des Vortrags andeutete: Lohrer ist skeptisch. Er meinte: „Die Lektionen aus Hiroshima und Nagasaki wurden nicht gelernt.“ Denn, wie er ausführte, „existieren heute 12.000 Atomwaffen, allein Russland und die USA besitzen jeweils über 5.000 Sprengköpfe. Davon sind etwa 2.000 Stück in ständiger Bereitschaft.“ Er ergänzte, „Die heutige Wasserstoffbombe hat die 16-fache Sprengkraft der Bombe, die auf Nagasaki fiel.“

Lohrer ist im Vorstand des IPPNW Vereins (Internationale Ärzt*innen für die Verhütung des Atomkrieges - Ärzt*innen in sozialer Verantwortung e.V.). Die Organisation fordert die vollständige Abschaffung von Atomwaffen weltweit, ein Anliegen, das vor wenigen Tagen auch Papst Leo XIV. und Kirsten Fehrs, Ratsvorsitzende der EKD befürworten, berichtete er.

Er erinnerte daran, dass die Bundesrepublik Deutschland schon 1975 dem nuklearen Nichtverbreitungsvertrag beitrat. „Aktuell sind aber Nato-Atombomben hier stationiert, die im Ernstfall von Bundeswehrpiloten abgeworfen werden“. Seit der ‚Zeitenwende‘, will die Bundesregierung fast zwei Milliarden Euro in die Modernisierung investieren. Die Aufrüstung sollte der Bevölkerung Sicherheit geben. Aber der einzige Schutz, mahnte Lohrer, sei die Abrüstung, denn durch einen Atomangriff würden u.a. Infrastruktur und Anbauflächen vernichtet, Trinkwasser verseucht, radioaktiver Staub in die Atmosphäre transportiert. Auch deshalb sei Sicherheit - für alle - nur durch die weltweite Zunahme von Friedensfähigkeit zu erreichen.

Zum Auftakt der Gedenkstunde ertönten die Glocken der Martin-Luther-Kirche. Den Opfern wurde in ergreifenden Beiträgen gedacht. Andreas Solleder nannte die entsetzlich hohen Zahlen (140.000 in 1945) der Toten und Schwerverletzten, bis heute sind etwa 400.000 Menschen an den Spätfolgen gestorben. Er mahnte: „Wir leben in einer Welt, in der die Menschen sich selber auslöschen können.“ Auch erinnerte er daran, dass es keine militärische Notwendigkeit gab, die Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki abzuwerfen, denn Japan sei bereits praktisch besiegt gewesen.

Als positive Entwicklung steht der Flaggentag der Organisation Mayors for Peace (Bürgermeister für den Frieden): Wolfgang Steuer erklärte, dass sowohl Trossingen als auch mehr als 600 andere deutsche Städte die Friedensflagge am 8. Juli hissen. Die Organisation wurde 1982 durch den Bürgermeister von Hiroshima gegründet.

Thomas Herrmann las die Geschichte des japanischen Mädchen Sadako die verewigt wurde in einer Graphic-Novel (Comicroman). Als die Atombombe über Hiroshima explodierte, ist die Dreijährige aus dem Haus geschleudert worden. Jahre später hat man bei ihr Blutkrebs festgestellt, sie hoffte auf Heilung, in dem sie über 1.000 Origami-Kraniche faltete. Leider starb sie im Alter von 12 Jahren, der Origami-Kranich aber wurde international zum Symbol gegen Atomwaffen. Als Pendant dazu waren über 100 Origami-Kraniche am Eingang des Veranstaltungsort aufgehängt, die einmal die Musikerfamilie Koyama für einen schwer erkrankten Freund aus Trossingen angefertigt hatten.

Zum Programm gehörte auch das berühmte Gedicht von Bertolt Brecht‚ Das Gedächtnis der Menschheit, das er einst selbst auf dem Völkerkongress für den Frieden in Wien 1952 vorgetragen hat. Als Elisabeth Vogelsang diese Worte vorgelesen hat, wurde das Vorhaben der Gedenkstunde auf den Punkt gebracht:

Lasst uns das tausendmal Gesagte immer wieder sagen,

damit es nicht einmal zu wenig gesagt wurde!

Lasst uns die Warnungen erneuern,

und wenn sie schon wie Asche in unserem Mund sind!

 

 

Bildvortrag: Projekt in Brasilien

In Urlaub in ein weitentferntes Land zu fliegen, als ein junger Mensch Mitte 20, verspricht Abenteuer und tolle Erlebnisse. Für Marius Ritzi ist sein erster Besuch in Sao Paolo, Brasilien, eine sinngebende und lebensverändernde Erfahrung gewesen. Das Trossinger Forum Demokratie & Grundrechte hat ihn eingeladen, über seinen Einsatz für Straßenkinder in Brasilien am 4. April zu berichten. Danach wurde diskutiert, was ein solches Engagement mit uns zu tun hat.

 

Ritzi, jetzt Mitte 40, schilderte in seinem Bildvortrag sein Projekt in einem Armenviertel der Stadt: Sein Verein educare kümmert sich seit 2007 um Bildungsangebote und mindestens eine warme Mahlzeit am Tag für sozial benachteiligte Kinder. Educare mietet eine Fläche mit über 3.300 qm, auf der sich auch ein Fußballplatz befindet, im Innenhof können die Kinder toben und spielen. Inzwischen sind es 160-180 Kinder, die betreut werden, manchmal müsse psychiatrische Unterstützung für die Mütter eingeleitet werden.

 

Zu den Mitarbeitern zählen ortsansässige Sozialarbeiter und Köchinnen, Patinnen und Paten aus Deutschland bieten finanzielle Unterstützung an, damit die Kosten gedeckt sind, auch für Nachhilfeunterricht, Sport (Judo) oder Tanzen, Gitarrenunterricht und Chor. In 2019 hat educare ein Traineeprogramm für Jugendliche gestartet, das eine sichere Zukunft für die Heranwachsende bietet, die sonst chancenlos geblieben wären. Ritzi berichtet, dass die Ausbildung, z.B. zum Mechatroniker oder Elektriker, vergleichbar gut ist wie in Deutschland.

 

Auch wenn Marius Ritzi und sein Team  in einem der gefährlichsten und stark von Drogen geprägten Viertels Sao Paulos sich engagieren, hat er die guten Seiten dieser Stadt entdeckt: Der öffentliche Verkehr funktioniert pünktlich und einwandfrei; und jeden Abend stellen die Menschen ihre Müllsäcke an den Sammelpunkt vorm Haus, dorthin wo am nächsten Morgen die Müllabfuhr kommt - jeden Tag, zuverlässig.

 

Nach seinem Bildvortrag folgte eine rege Diskussion über die weitreichende Wirkung eines Hilfsprojekts wie seins: Durch die Bildungsangebote von educare, werden die Kinder gefördert und gefordert. Die Kinder erleben Wertschätzung, Zuneigung, Gemeinschaft. Ihre Talente und Fähigkeiten werden entdeckt und unterstützt. Daraus ergeben sich Zukunftsperspektiven.

 

Zu der Frage, was ein Projekt wie seins in Sao Paolo mit uns zu tun hat, antwortet er, dass er überzeugt sei, dass so eine Reise auch ein Gewinn für die Gebenden ist - man erweitert den eigenen Horizont, wird offen für andere Kulturen und Sitten, lernt die Bedeutung von gelebter Solidarität mit fremden Menschen. Und daraus entstehen Freundschaften - voller Hoffnung und Herzenswärme für alle Beteiligten.

Aufstehen für Demokratie

Das war das einigende Motto beim Demonstrationszug durch Trossingen am 7. Februar 2025. Unerwartet groß war der Zug der Demonstrierenden (200-250 Teilnehmern), der von der Polizei in professioneller Weise abgesichert wurde.

Der Zug startete vor dem Rathaus und hatte sein Ziel vor dem Nudelhaus. Dort erinnerte Alex Killmann (von 'VS ist bunt') nochmal an das Abstimmverhalten der CDU im Bundestag wenige Tage zuvor, als mit der AfD zusammen für einen Antrag gestimmt worden war. Peter Armbruster, stellvertretender Schulleiter des Gymnasiums Trossingen und Daryna Kapshukova, ukrainische Schülerin am GT riefen die Anwesenden zur Verteidigung unserer Demokratie auf.

Umrahmt wurden die Ansprachen von Musik. Adrian Brenneisen und drei Sängerinnen der Musikhochschule sangen 'Imagine' von John Lennon und 'Über den Wolken' von Reinhard Mey, diese verliehen der Veranstaltung eine zuversichtliche Stimmung.

Die Demonstranten sangen:

'Wehrt euch, leistet Widerstand
gegen den Faschismus hier im Land.
Haltet fest zusammen, haltet fest zusammen!
Wehrt euch, leistet Widerstand ...'

Trossinger Stolpersteine

Vortragsabend des Forums im Alten Rat- und Schulhaus am 9. November 2024.

Der Historiker und Forumsmitglied Daniel Zuber stellte die Entwicklung hin zu den Rassengesetzen und Euthanasie während des nationalsozialistischen Terrorregimes dar, die viele Millionen Menschen in den Tod durch die organisierte Auslöschung führte. 

In Trossingen wurden in den letzten zwei Jahren insgesamt elf Stolpersteine verlegt, die an Opfer der Euthanasie erinnern und uns zur Mahnung vor den früheren Wohnstätten dieser Menschen ins Pflaster der Gehwege eingelassen wurden. 

Der Referent wies auf die spärliche und sehr oberflächliche Verfolgung der meisten Täter durch die deutsche Justiz nach 1945 hin. In der deutschen Bevölkerung gab es über Jahrzehnte kaum Interesse daran, die Verbrechen der Nazidiktatur ans Licht zu bringen und Täter zu bestrafen.

In der anschließenden Diskussion wurde die Sorge thematisiert, dass die Zunahme an politischer Macht und Einfluss in rechtsnationalen Kreisen eine erhebliche Gefahr für unsere Gesellschaft und demokratische Ordnung darstellt. Manche aktuellen Forderungen wie etwa nach massenhafter Ausweisung von Menschen ohne deutschen Pass erinnern an das völkische Verständnis und die Bedrohung von Minderheiten durch die Nationalsozialisten. Ein Wiederkehren dieser Zustände muss verhindert werden! 

75 Jahre Grundgesetz

Anfang des Jahres 2024 beunruhigten uns als Teilnehmer der wöchentlichen Mahnwache die ständig steigenden Umfragewerte der AfD, besonders in den neuen Bundesländern. Teilnehmer der Mahnwache erstellten den „Trossinger Appell“, der sich an die Parteien im Bundestag als auch an die Wähler richtete und unsere Sorge über den zunehmenden Rechtsruck in der Gesellschaft ausgedrückt hat. Den Trossinger Appell haben fast 500 Menschen unterschrieben. Der Appell mit Unterschriftenlisten wurde im Juli ’24 während einer Mahnwache an die SPD-Bundestagsabgeordnete Derya Türk-Nachbaur übergeben, um sie an die Parlamentarier im Bundestag weiter zu leiten.

Gleichzeitig entstand die Idee, eine Veranstaltung zu organisieren, um daran zu erinnern, welch hohes Gut unsere Demokratie und der Rechtsstaat sind. Am 4. Juni ’24 fand im Alten Rat- und Schulhaus Trossingen ein Abend mit dem Thema 75 Jahre Grundgesetz statt. Dazu hatte der Mahnwachenkreis eingeladen. Die Resonanz war überwältigend mit über 100 Teilnehmern im vollbesetzten Ratssaal. 

Zum Beginn des Abends sind drei ukrainische Schülerinnen in ihrer Landestracht – ein wahrer Blickfang – aufgetreten und haben Lieder aus ihrer Heimat gesungen.

Den Abend moderierten Roberta Zuber und Wolfgang Steuer, Gérard Deleye am Akkordeon leitete mit Musette ein und begleitete musikalisch durch den Abend. Bürgermeisterin Susanne Irion sprach Grußworte und drückte ihr Befremden über die Unzufriedenheit mancher Bürger und den Ruf nach einer Führungspersönlichkeit aus. Anschließend berichtete der Leiter der Werkrealschule, Steffen Finsterle, aus dem Schulalltag, seinen Erfahrungen mit Schülern und dem Thema Demokratie. 

Eingeladen waren danach ein gambischer Flüchtling und eine syrische Familie mit Kleinkind, die über ihr Leben in Deutschland und ihre Integration erzählten. Die Leiterin des ‚Fadenlaufs‘, einer Nähwerkstatt für Deutsche und Migranten, berichtete aus ihrer Arbeit. Ebenso kam der Inhaber einer Gärtnerei zu Wort, der u. a. benachteiligte Schüler der Trossinger Solwegschule als Praktikanten oder Lehrlinge einstellt. Ein schon lange im Landkreis Tuttlingen lebender Syrer hat danach ebenfalls das Wort ergriffen. 

Es war ein sehr lebendiger Abend mit vielen Gesprächen nach den Redebeiträgen, viel Austausch und viel Lachen. Noch lange wurde diskutiert und gefeiert. 

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